Hier in der St. Oswalds-Kirche eine Rede zu halten ist nichts Alltägliches. Es ist nicht irgendein Saal oder Raum, eine Kirche ist ein sakraler Ort. Und ich muss gestehen, dass die Vorbereitung darauf für mich einiges an Überwindung gebraucht hat. Dabei habe ich etliche Gespräche geführt, mit anderen, aber auch mit mir selber. Meine Aufgabe als Präsidentin des Grossen Gemeinderats ist eine politische und die Wirkungsstätte dafür der Ratssaal. Aber die feierliche Zeremonie des GGRs zu Beginn einer neuen Legislatur führt schon seit jeher vom Ratssaal in diese Kirche und so nehme ich die einmalige Chance nun wahr.

Das Gelöbnis vorhin im Ratssaal und die Vereidigung gleich nachher hier in der St. Oswalds-Kirche haben eine wichtige Bedeutung. Denn damit werden wir, die Mitglieder des GGRs, von der Privat- zur Amtsperson. Einige von Ihnen sind das bereits seit Jahren, für andere ist es etwas ganz Neues. Es ist aber für alle etwas Spezielles, etwas Besonderes – etwas – das in der Stadt Zug nur wenigen Personen zusteht. Dies ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die wir – da bin ich überzeugt – mit dem nötigen Respekt angehen werden.

Gerne möchte ich noch einige Worte zu meinem Politverständnis und zu unserer politischen Arbeit im Ratssaal an Sie richten.

Politik bedeutet für mich: mitreden wollen – mitmachen dürfen – mitbestimmen können.

Wir alle wollen politisch mitreden, dürfen nun, demokratisch gewählt, im Grossen Gemeinderat mitmachen und können so in unserer Stadt direkt mitbestimmen und sie mitgestalten.

Mitreden, Mitmachen und Mitbestimmen geschieht nie allein. Das Wort mit beinhaltet immer auch andere Personen und damit verschiedene Meinungen und unterschiedliche Ziele. Politische Arbeit in einem Parlament ist kein Einzelkampf. Auch nicht die Dominanz einer Mehrheit. Vielmehr bedeutet sie, miteinander diskutieren und gemeinsame Lösungen finden. Das Einbeziehen aller Aspekte ist in unserer kleinen Stadt Zug mit über 120 Nationen ganz besonders wichtig.

Freude macht die Arbeit im Grossen Gemeinderat, wenn man spürt, dass man ernstgenommen und einem aufmerksam zugehört wird. Das Verlesen von Parteiparolen oder ein abschätziger Umgang miteinander führen nicht zum Ziel. Unsere Arbeit soll von einem respektvollen und toleranten Miteinander geprägt sein.

Das ist denn auch mein grosses Anliegen an Sie, denn mit dem GGR ist es fast wie mit der eignen Verwandtschaft. Die kann man sich auch nicht aussuchen. Den Partner oder die Partnerin schon, aber den Rest, den gibt es einfach so dazu. Die Tischrede des Onkels mag nicht besonders originell sein und die Witze der Schwägerin sind auch beim fünften Mal nicht lustiger geworden. Aber man lächelt und bleibt nett zu einander. So ist es auch im Rat am dienlichsten, wenn die einzelnen Voten sachlich und auf den Punkt gebracht sind. Lange Reden und Wiederholungen strapazieren nur die Geduld der anderen Ratsmitglieder. Und manchmal zeugt es von mehr Grösse, wenn man eine Aussage von jemand anderem unkommentiert stehen lassen kann.

Vermiesen wir uns unsere Aufgabe nicht selber mit negativen Gedanken und Vorurteilen gegenüber anders Denkenden. Freuen wir uns auf die neuen Debatten und ihre Herausforderungen und auf so manche Eigenheiten unserer Polit-Verwandtschaft. Mit einem Lächeln im Gesicht geht so vieles einfacher.

Ein letzter Wunsch von mir ist, hören Sie einander zu. Auch wenn die politische Ausrichtung nicht die gleiche ist, manchmal machen die Argumente der Anderen durchaus Sinn. Und es schadet niemandem, seine Scheuklappen zu öffnen und über den eigenen Tellerrand zu schauen.

Wir müssen nicht Freunde werden, aber dass wir einander respektieren und tolerieren, das ist mir wichtig.

Ich freue mich auf meine neue Aufgabe als Präsidentin des GGRs und wünsche uns allen eine konstruktive, herausfordernde, erfreuliche und diskutierfreudige Zusammenarbeit.